Wer an Portugal denkt, dem gehen berechtigterweise zuallererst die kilometerlangen rotfarbenen Sandstrände der Algarve, die gelben Straßenbahnen der Hauptstadt Lissabon oder die weltberühmten Korkeichen durch den Kopf. Kaum jemand außerhalb Portugals dürfte allerdings auf dem Schirm haben, dass das verhältnismäßig kleine Land am Atlantik noch weitaus mehr zu bieten hat. Zum Beispiel Wintersport und anspruchsvolle Wandertouren – Glaubt ihr nicht? Dann lest selbst!
Auf in die Berge: Von Porto bis zur Serra da Estrela
08:00 Uhr, der Wecker klingelt. Höchste Zeit, um mal wieder das Zelt und unsere sieben Sachen zusammenzupacken und zum nächsten planmäßigen Stop der Expedition Europa aufzubrechen: der Serra da Estrela. Für all diejenigen, die mit diesem Begriff nun mal so gar nichts anfangen können, denen erkläre ich es gerne kurz.
Die Serra da Estrela – oder auf Deutsch „Stern-Gebirge“, ist ein abgelegenes Hochgebirge im Landesinneren von Portugal, nahe der Grenze zu Spanien. Seine Gipfel strecken sich bis zu 2000 Meter in die Höhe. Selbst Wintersport kann hier betrieben werden. Mit dem „Torre“ verfügt die alpine Landschaft über den höchsten Berg Festland-Portugals. Nur der „Pico del Teide“ auf der Azoren-Insel „Pico“ ist höher.
Doch nun mal wieder Hand aufs Herz: Was haben wir in dieser nahezu menschenleeren Gegend verloren? – Eigentlich ganz einfach. Wer Land und Leute und besonders die Natur in Portugal richtig kennenlernen möchte, für den ist dieser Ort nahezu ideal. Also los, auf geht’s ins Abenteuer!
Und das ließ natürlich auch nicht lange auf sich warten. Da die Wetter-Prognose es mal wieder nicht gut mit uns meinte, buchten wir im Internet sicherheitshalber schon gleich ein kleines, sehr günstiges (35€ pro Nacht) Bungalow-Häuschen an einem abgelegenem Stausee im Nachbargebirge, der Serra da Malcata. Allein die Fahrt dorthin war ein Erlebnis.
Nachdem wir die Autobahn verlassen hatten und sich die Berge bereits vor uns auftürmten, wurde die Straße immer schmaler und kurviger, bis wir schließlich ein kleines, abgelegenes Dörfchen namens „Meimão“ erreichten. Man hatte sofort den Eindruck, dass die Welt in dieser kleinen portugiesischen Gemeinde mit ihren gerade einmal 280 Einwohnern noch in Ordnung ist.
Unser Weg führte uns quer durch die Dorfmitte, durch enge Gässchen und über mit Kopfstein gepflasterte Straßen. Links und rechts saßen immer mal wieder ältere Frauen und Männer am Wege, die sich unterhielten und freundlich lächelten, als wir vorbeifuhren. Sie trugen traditionelle bäuerliche Kleidung, denn die Landwirtschaft stellt die größte Einnahmequelle vor Ort dar.
Nachdem wir Meimão verlassen hatten, führte uns die Straße schließlich auf eine Bergkuppe von der aus sich ein einzigartiges Panorama vor uns auftat. Von oben aus konnten wir den Stausee, an dem sich das Häuschen befinden sollte, die umliegenden Berge mit ihren Windrädern auf den Bergrücken und jede Menge Wald erblicken. Wir waren ziemlich geflasht und machten ein Foto nach dem anderen. Nichts desto trotz, war es an der Zeit, anzukommen. Denn unsere Vermieterin wartete bereits vor Ort auf uns.
Die portugiesische „Middle of Nowhere“
Um zu unserem kleinen Ferienhäuschen zu gelangen, mussten wir ein schweres Eisentor passieren und einen kleinen Weg hinab an das Ufer des Sees fahren. Wir erblickten ein Schild, aus dessen Aufschrift hervorging, dass es sich bei dieser Anlage um ein von der EU-subventioniertes Projekt handelt. Denn die „Zona de Balnear de Meimão“ ist eine neue kleine Ferienanlage, bestehend aus 5 modernen Holzbungalows und einem Restaurant-Kiosk am Fuße des Sees. Auch Tretboote lagen vor Ort und eine kleine Badeinsel trieb auf dem See umher.
Eine insgesamt sehr friedliche Kulisse um diese Jahreszeit, denn wie sich herausstellte, waren wir die einzigen Gäste, der Kiosk hatte geschlossen und es gab weder Mobilfunk noch Internet. Es war also schon ein bisschen seltsam, zu wissen, dass man Abends bei einer Partie Monopoly (mangels anderer Beschäftigung), weit und breit der einzige Mensch war. Zudem war es, wenn man einen Blick aus dem Fenster riskierte, stockdunkel. Und wenn ich stockdunkel sage, dann meine ich auch stockdunkel. Man hatte das Gefühl, hier herrscht eine andere Dunkelheit. Eine fortgeschrittene Dunkelheit.
Nichts desto trotz ging es dann am nächsten Tag gut gelaunt und ausgeruht, auf einen kleinen Wandertrip. Eigentlich hatten wir vor, ein wenig am Rande des Sees entlang zu laufen und schließlich den angrenzenden Berg zu erklimmen. Als wir uns dann allerdings irgendwann in einem dichten Olivenhain wiederfanden, wussten wir, dass wir uns wohl etwas verfranzt haben müssen. Doch Aufgeben ist ja keine Option, also immer weiter in Richtung Gipfel!
Der Weg wurde allerdings immer schmaler und durfte sich wohl an einem gewissen Punkt gar nicht mehr Weg nennen. Vollkommen entnervt standen wir schließlich mitten im Dickicht, mit einer zugegebenermaßen echt interessanten Vegetation und wurden bis auf die Knochen nass, da es mal wieder der nächste Regenguss auf uns abgesehen hatte. Doch schließlich fanden wir noch unseren Weg hinauf auf den Gipfel und wurden mit einem atemberaubenden Panorama belohnt.
Schnee in Portugal? Willkommen in der Serra da Estrela!
Für den nächsten Tag hatten wir uns natürlich auch wieder viel vorgenommen. Wir haben einen kleinen Ausflug ins richtige Hochland der Serra da Estrela geplant, in der Hoffnung, Ende April vielleicht doch nochmal Schnee sehen zu können. Bis wir allerdings dort ankommen sollten, hatten wir wieder einmal die ein oder andere portugiesische Passstraße zu passieren, die sich erfreulicherweise in einem wirklich guten Zustand befinden.
Es folgen etliche Serpentinen mit steilen Kurven und viele, viele Höhenmeter, die unser Auto glücklicherweise mit Bravur meisterte, bis wir schließlich die Wolkendecke durchbrachen. Auch die Aussicht konnte sich mal wieder sehen lassen und die kleinen, typisch portuguiesischen Häuschen und Brücken am Wegesrand rundeten das Gesamtbild ab.
Leider standen wir an einer gewissen Stelle buchstäblich vor einem kleinen Problem: Das letzte Stück der Passstraße, hinauf zum Torre, war wegen Schneeräumarbeiten gesperrten. Uns blieb also tatsächlich nichts übrig, als abzuwarten und Tee zu trinken. Und siehe da – wir hatten Glück! Nach einer halben Stunde ausharren, öffnete sich der Schlagbaum und wir durften passieren. Und zu allem Überfluss wurde auch unser Wunsch, noch einmal Schnee zu sehen, erhört und die Landschaft links und rechts der Straße war schon bald ganz in ein dichtes Weiß getaucht.
Ganz oben auf dem Torre konnte man zwar durch das wilde Schneetreiben und viel Nebel nicht mehr nach unten sehen, aber das war gar nicht so wichtig. Denn hier oben fanden wir wirklich eine einzigartig schöne Winterlandschaft vor! Hätte man uns an der Staumauer, die sich oben auf dem Gipfel befindet, ausgesetzt, wäre ich wahrscheinlich davon ausgegangen in Island zu sein, so surreal wirkte die Kulisse.
Wir hatten eigentlich auch noch eine kleine Wanderung zu einem ganz besonderen See angestrebt. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er das so genannte „Covao do Conchos“ beinhaltet. Es sieht aus, wie ein sehr merkwürdiges Wasserloch in einem See, ja fast wie ein Tor zu einer anderen Galaxie handeln – wenn man es wie die meisten Reiseführer dramatischer ausdrücken möchte.
Eigentlich dient es aber nur als Ablauf des Sees. Trotzdem ein spektakulärer Anblick, der uns aber leider verwehrt bleiben sollte. Denn auf dem schon ohnehin mit hohem Pulverschnee bedeckten Pattweg Richtung Wasserloch, schlug das Wetter auf einmal in Richtung „unangenehmer Schneesturm um“. Der Wind peitschte den Wind so sehr durch die Gegend und in unsere Gesichter, dass wir leider abbrechen mussten. Zu groß, waren die Schmerzen, zu klein unsere Lust darauf irgendwo auf dem höchsten Gipfel Festland-Portugals von der Bergwacht gerettet werden zu müssen.
Klartext: Wer sollte einmal einen Ausflug in die Serra da Estrela unternehmen?
Dennoch war es im Großen und Ganzen ein sehr gelungener Trip. Die Serra da Estrela Innland Portugal ist wirklich für alle Abenteurer empfehlenswert, die Portugal abseits der ausgelatschten Touristenpfade entdecken wollen und das kleine Land am Atlantik mit ganz anderen Augen sehen wollen.
Wer hier allerdings Landschaften, wie in den Alpen erwartet, der ist an der falschen Adresse. Die Vegetation und Topographie ist zwar auch etwas besonderes, nur eben deutlich karger als anderswo, was nicht heißen soll, das sie weniger schön ist. Bei der Infrastruktur müsst ihr mit Einschränkungen rechnen. Die Straßen sind zwar wirklich gut ausgebaut, allerdings ist das Gebiet nicht gerade dicht besiedelt und auch die Nahversorgung ausbaufähig.
Auch bei Sprache müsst ihr euch eventuell auf ein Gespräch mit Händen und Füßen einstellen. Denn selbst die jüngeren Portugiesen sind hier bezüglich Englisch-Kenntnissen nicht immer besonders gut aufgestellt. Wer mit den Einschränkungen leben kann, der wird sicherlich ein Abenteuer in einer ganz besonderen Landschaft mitten in der „Middle of Nowhere“ von Portugal erleben!
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